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Ich habe mein Leben dem Filmemachen verschrieben
Text und Interview: Maximilian Marti Fotos: © DominiquePlüss
Wie entstehen gute Filme? Auch wenn die besten, erfahrensten Stars oder talentierte Newcomer vor und hinter der Kamera stehen, wenn ein Drehbuch alles beinhaltet, was das Publikum fes- seln kann, wenn umwerfende Locations mit im Spiel sind und noch erstklassige Musik dazu kommt – ohne Regie geht trotzdem nichts. Sie ist die Schnittstelle, wo alle Komponenten vereint werden zu dem, was schlussendlich durch den per- fekten Schnitt zum «Erlebnis Film» wird.
So wie eine Dirigentin die Partitur im Auge behält und das Orchester führt, um ein mu- sikalisches Werk entstehen zu lassen, behal- ten Regisseurinnen und Regisseure auf dem Filmset den Überblick, dirigieren Cast und Crew, um ihre filmische Vision umzusetzen. So auch Stefanie Klemm.
Die Drehbuchautorin und Regisseurin be- treibt in Bern seit zwanzig Jahren ihr eigenes Filmstudio bluebox film, bisher erfolgreich tätig vorwiegend im Kurzfilm- und Auftrags- filmbereich. Nachdem sie sich mit einem guten Dutzend Kurzfilmen und Einladungen an internationale Filmfestivals einen Namen gemacht hatte, stellte sie im Sommer 2020 ihren ersten abendfüllenden Spielfilm «Von Fischen und Menschen» fertig und wurde an den Solothurner Filmtagen von der Jury prompt mit dem erstmals verliehenen Preis «Opera Prima» für den besten Debutfilm des Jahres ausgezeichnet. Bei den Streaming- Zahlen des Festivals erreichte der Film Spitzenwerte.
Frau Klemm, worin liegt der Unterschied zwischen einem Auftragsfilm und einem Spielfilm?
Die Tools sind dieselben, man erzählt Ge- schichten mithilfe des bewegten Bildes. Beim Auftragsfilm gilt es, zur Zufriedenheit des Auftraggebers die Botschaft für ein be- stimmtes Publikum möglichst kompakt, ori- ginell und verständlich zu verpacken. Hier muss die Regie Konzessionen machen und das Einspruchsrecht des Auftraggebers ak- zeptieren. Beim Kinofilm steht oft die Absicht im Mittelpunkt, eine Geschichte so zu erzäh- len, dass das Publikum im Innersten berührt
Filmstill©KacperCzubak: Sarah Spale als Judith und Lia Wagner als Milla
wird. Insbesondere ein Autorinnenfilm wie meiner (für den ich selbst das Drehbuch ge- schrieben habe) kann eine Geschichte sehr konsequent und mit einem persönlichen Blick erzählen, je nach Thema mit allen emo- tionalen Hochs und Tiefs, die unser Leben bestimmen. Im Idealfall kommt dann ein Film in die Kinos, welcher auch visuell die künstle- rische Handschrift der Filmemacherin trägt.
Wie kamen Sie zum Filmemachen?
Auf Umwegen. Nach der Matura studierte ich zuerst Psychologie und Germanistik, danach machte ich das Lehrpatent und unterrichtete einige Jahre an Volksschulen. Schon seit meiner Kindheit war ich stark an Bewegung und Tanz interessiert und tanzte dann in zeit- genössischen Tanzproduktionen mit. Bald begann ich, diese Bühnenstücke filmisch aufzuzeichnen, das technische Know-how dazu lernte ich in Kursen. 2008 absolvierte ich in Zürich an der Hochschule für Künste den Master in Drehbuch und Regie. Dort entstand auch mein professionelles Umfeld, ohne welches im Filmgeschäft nichts läuft. Ein Film entsteht ja immer im Team und das gegenseitige Vertrauen muss erst aufgebaut werden.
Meine langjährige Film- und Lebenserfah- rung war für mich die Voraussetzung, mich an einen abendfüllenden Spielfilm zu wagen. Die intensive Beschäftigung mit dem Thema, das Schreiben des Drehbuchs, das Casting, die Zusammenstellung der Crew, das Auf- gleisen der Dreharbeiten, der Dreh und die Postproduktion: Es war eine unglaublich spannende Zeit. Das Interesse am Film per
se und was dahintersteckt hat mich schon früh gepackt. Ich wollte lernen, eine wahre oder erfundene Geschichte, auch einen Mix aus beidem, zu einem Drehbuch zu verarbei- ten und daraus etwas zu erschaffen, was für andere zum persönlichen Erlebnis werden kann. Ja, ernsthaft habe ich mich meinem Metier erst spät zugewandt, nach 30, dafür habe ich seither dem Filmemachen mein Leben verschrieben.
Welches waren bisher die Highlights Ihres Filmschaffens?
Es ist immer sehr erfreulich, wenn Filme an internationale Festivals eingeladen wer- den oder Aufträge Anerkennung finden. Ein Meilenstein war sicherlich der «Treatment Award», der einem meiner Drehbuchent- würfe vor einigen Jahren verliehen wurde. Ebenso wichtig ist die aktuelle Auszeichnung in Solothurn, zumal ich nicht damit gerech- net habe, dass mein Erstling so überzeugen wird. Aber wichtige Highlights finden oft auch ohne Publikum statt: Wenn nämlich durch die Zusammenarbeit der Beteiligten eine Magie entsteht, die sich auf das Werk überträgt und die anfängliche Vision übertrifft. Mein gros- ser Dank dafür gilt meiner Produzentin und dem ganzen Team. Ich freue mich nun sehr, den Film endlich vor Publikum auf der gros- sen Kinoleinwand präsentieren zu können.
«Von Fischen und Menschen» mit Matthias Britschgi und Sarah Spale in den Hauptrol- len läuft ab dem 20. Mai in den Kinos der Deutschschweiz.
Infos: blueboxfilm.ch
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