Page 51 - Best ofSt. Gallen, Ausgabe 9
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Ragu Wavy ...
Text und Interview: Maximilian Marti Fotos: Warner Music
... heisst der neue Sound, der seit Kur- zem nicht nur die Rhythm and Blues-Welt um eine neue Dimension erweitert, son- dern auch den Steilstart zu einer Welt- karriere auslöste. Eine St. Galler Musi- kerin mit tamilischen Wurzeln prägte den Stil, den sie selbst Ragu Wavy nennt. Im März 2020 spielte sie im Tonstudio ihres in der Musikszene bekannten Bruders Japhna Gold ihre erste offizielle Single ein und veröffentlichte sie in Eigenregie: Good Love 2.0. BBC Radio 1 spielte den Song, dann ging es Schlag auf Schlag: Das Major-Label Warner Music bot ihr ei- nen Vertrag an. Darauf wurde der Song in den offiziellen Soundtrack der jüngsten Version des weltweit bekannten Games FIFA 21 integriert – und ab sofort war der Name eines neuen Stars in aller Munde: Priya Ragu.
Priya lebt seit ihrer Kindheit mit Musik. Sie sang und tanzte im Familienkreis, nahm Gei- genunterricht und schwärmte für das stimm- gewaltige Multitalent Alicia Keys, die leider verstorbene Nina Simone und andere Idole, fand aber den entscheidenden Glauben an sich selbst erst kürzlich. Bisher trat sie ne- benberuflich auf als Backgroundsängerin und bei Open-Mic-Events und veröffent- lichte in dieser Zeit etliche experimentelle Singles. Mit gefestigtem Selbstvertrauen entschloss sie sich 2017, für eine Weile nach New York zu ziehen, um sich, unter Fern- unterstützung ihres Bruders, auf ihre Mu- sik zu konzentrieren. Im Big Apple erfand Priya sich selbst neu – und damit den Stil, der sie berühmt machen würde. Ihre erste Single «Good Love 2.0» katapultierte sie in die Poleposition, den Platz, den sie jetzt mit ihrem zweiten Hit «Chicken Lemon Rice» be- stätigte. Gerade ist ihre dritte Single «Forgot About» erschienen.
Priya Ragu versteht ihren aparten Exoten- Bonus, ihren Musikstil, ihre Lyrics, ihre aus- drucksstarke Stimme und ein sicheres Flair für die zu ihr und ihrer Musik passende Ins- zenierung auf eine Weise zu mixen, dass ein eindringliches Gesamtkunstwerk entsteht. So wurde ihr erstes Video, die Story einer romantischen ersten Liebe, im indischen
Goa gedreht, und «Chicken Lemon Rice» in einem märchenhaft wirkenden, verlassenen Hotel in London.
Priya, was ist das für ein Gefühl, wenn man plötzlich von einem anspruchsvollen Publikum gefeiert, von sachverständigen Kritikern gelobt, von der Musik-Branche umschwärmt wird und für Vogue modelt? Es ging alles so rasant, dass ich es manch- mal immer noch als fast surreal empfinde. Aufgrund der herrschenden Umstände wurden die Verträge mit Warner Music per Video-Call ausgehandelt und bestätigt, erst später lernte ich die Mitglieder meiner Band in London kennen, die ich ebenfalls per Video ausgewählt hatte. Natürlich zeigt alles in Richtung Erfolg, aber darüber in Form von Charts und Zahlen zu lesen, ist etwas anderes als vor einem Live-Publikum aufzutreten und anerkannt zu werden. Aber wenigstens gibt mir die aufgezwungene Dis- tanz den Freiraum, an meinem ersten Album zu arbeiten.
Was ist Dein musikalisches Ziel?
Mit meiner Musik will ich möglichst viele Menschen erreichen und auf meine Reisen mitnehmen in eine Welt, die ich für lebens- wert halte. Ich bin in zwei Kulturen aufge- wachsen und habe dabei gelernt, Vorurteile
abzubauen und eher nach dem Positiven Ausschau zu halten, mich daran zu orien- tieren und zu freuen. Man strahlt das aus, was man fühlt, und kann deshalb andere nur dann von sich überzeugen, wenn man selbst an sich glaubt. Allerdings setzt der Glaube allein nichts in Bewegung, das kann nur die Tat.
Was war bisher Deine schwierigste Entscheidung?
Meinen sicheren Job zugunsten der Musik aufzugeben und ohne handfeste Perspek- tive nach New York zu ziehen, dies gegen den ausdrücklichen Rat meiner Eltern. Aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich mich jetzt durchsetzen und in die Richtung gehen soll, die mich am stärksten anzieht. Natür- lich war ich meiner Sache auch nicht abso- lut sicher, ich kannte in New York nur eine Kontaktperson und hatte keine Ahnung, was mich dort erwartet. Es brauchte eine Weile, bis ich mich einigermassen an die neue Umgebung gewöhnt hatte und die Ruhe fand, um mit dem Schreiben anzufangen. Jetzt finden auch meine Eltern, dass diese schwierige Entscheidung doch die richtige war.
warnermusic.de
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