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  Mitglied in einem erlauchten Klub
Text und Interview: Thomas Lüthi Foto links: Reto Stadelmann
Foto rechts: SRF/Pascal Mora
Als «Burki» vor über einem Vierteljahr- hundert seinen ersten Kranz gewann, steckte das Internet in den Kleinkin- derschuhen, eine Minderheit besass Handys und viele seiner heutigen Geg- ner waren noch nicht auf der Welt. Schwingen selber war noch nicht in der Moderne angekommen: «Dur d’Wuche schaffe, am Sunntig nimmt me sich am Grind», bringt’s Stefan Burkhalter auf den Punkt. In den Grundzügen stimmt das zwar auch heute noch – Schwin- ger sind nach wie vor Amateure. In der Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Passion betreiben, sind sie aber längst im Spit- zensport angekommen. Wer ganz vorne mithalten will, muss sich weiterentwi- ckeln. Stefan Burkhalter ist ein Para- debeispiel dafür. Er ist nicht nur der äl- teste Eidgenössische Kranzschwinger, sondern einer der erfolgreichsten aller Zeiten. Mit seinen 108 Kränzen gehört er zum erlauchten Hunderterklub, nach ganz oben, in die Sphären von Hasler, Sempach und Meli.
Was ist Dein Erfolgsgeheimnis?
Abgekürzt gesagt: Wenn du eine Sache gerne machst, machst du sie gut. Und wenn du sie gut machst, machst du sie auch gerne.
Ist es wirklich so einfach?
Du musst offen sein für Neues. Denn unser Sport ist viel athletischer geworden. Als ich anfing, war Krafttraining noch verpönt. Mitt- lerweile ist das selbstverständlich gewor- den. Ich halte immer Ausschau nach neuen Trainingsmethoden. Vor einigen Jahren habe ich Crossfit entdeckt – als das hierzu- lande noch fast unbekannt war. Ein echter Gewinn. In meinem Alter trainiere ich sicher weniger als früher, höre genauer auf meinen Körper und gönne ihm mehr Erholungszeit.
Punkto Ernährung bist Du aber nicht modern. Bei sechshundert Gramm Fleisch pro Tag ...
Da kommen aber viel Salat, Früchte und Gemüse hinzu. Zweitens esse ich das Fleisch über vierzehn Stunden. Und als Bauer arbeite ich körperlich. Dazu kommt
Szenenfoto WILDER
das Training. Mein Kalorienbedarf ist ent- sprechend hoch. Wenn ich weniger trai- niere, esse ich auch weniger Fleisch.
Okay, Du hast mich überzeugt. Welche Rolle spielt Mentaltraining?
Das hat auch seinen Platz. Am Abend vor ei- nem Schwingfest mache ich Atemübungen und lege fest, wie ich gegen den ersten Geg- ner schwingen will. Die ersten Paarungen kenne ich ja vorher und meine Gegner auch. Bis ich in den Ring gehe, wird an dieser Strategie nicht mehr gerüttelt. Das gibt mir Selbstsicherheit. Sobald der Gang beginnt, ist eh alles anders und du entscheidest von Moment zu Moment. Das ist der schönste Teil in meinem Sport.
Erzähl mehr davon ...
Man kommt sich beim Schwingen körper- lich sehr nah. Sobald ich mit meinem Geg- ner in Kontakt komme, ihn bei den Hosen packe, spüre ich, wie der drauf ist. Ist die Körperspannung tief? Will er vielleicht stel- len? Oder ist die Spannung hoch? Dann merke ich: «Der ist parat. Das wird heute schwierig.»
Du bist auch sonst offen für Neues. Kürz- lich warst Du in der TV-Serie WILDER zu sehen ...
Dazu kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Wir waren am Grillen, Familie und Freunde waren auf dem Hof, da kriegte ich einen Anruf. Ob ich in WILDER mitspielen will. Zuerst dachte ich: Da will mich einer ver- arschen. Im ganzen Trubel machten wir ein
Castingvideo, und ich hatte die Rolle. Ich spielte den Bodyguard vom Obermafioso. Das passte. Ich arbeite ja auch noch als Personenschützer.
Und wie waren die Dreharbeiten?
Wirklich toll. Regie, Crew und Darsteller: alle extrem nett. Die Dreharbeiten selber waren spannend und anstrengend. Ich erlebte ei- nen Sechzehn-Stunden-Tag. Wir starteten mit einem Dreh auf einer Staumauer. Ich chauffierte den Bösewicht und musste in einer Szene punktgenau zu einer Person auffahren. Das tönt so einfach – aber man muss sich vorstellen: Es war im Hochsom- mer 2018. Ich ganz in Schwarz mit einer Lederjacke. Und wegen dem Ton lief im Auto keine Klimaanlage. Aber es hat Riesenspass gemacht. Ich sehe Filme jetzt mit anderen Augen. Und ich würde auch in Zukunft gerne wieder so was machen. Eine Rolle in einem Actionfilm: Das wäre cool.
Apropos «Zukunft»: Wie lange bleibst Du dem Schwingsport noch erhalten?
Ich sage schon seit 10 Jahren: Ich schaue mal. Ich nehme es «vorewäg». Solange die Gesundheit mitmacht, bleibe ich aktiv. Den Schwingsport werde ich aber auch nach einem Rücktritt sehr aufmerksam mitver- folgen. Schon wegen meinem Sohn Thomas. Ich gewann kein einziges Bubenschwingen, war ein Spätzünder. Thomas begann als Siebenjähriger, ein Jahr später hatte er be- reits acht Schwingen gewonnen.
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