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Lukas ‹on the rocks›, eisgekühlt und überzeugend
Text und Interview: Maximilian Marti Foto rechts: Albert-Rene Kolb
Seit 16 Jahren steht der Schaffhauser Eiskunstläufer Lukas Britschgi auf dem Eis. Der heute 23-jährige Sportler ist die grosse Hoffnung des Schweizer Eiskunstlaufs – und das zurecht. Ange- fangen hat seine Karriere mit sieben in einem Kindergruppenkurs in Frauen- feld, gefolgt von ersten Trainingsstun- den bei seinem Trainer. Heute sind das 21 Trainingseinheiten pro Woche auf und neben dem Eis. Bisher hat er sechs Internationale Medaillen gewonnen: Silber an der Sofia Trophy 2017, Bronze 2017 und 2019 am Golden Bear Of Zag- reb, Silber an den Bavarian Open 2018, Bronze am International Challenge Cup und Bronze bei der NRW-Trophy 2020 in Dortmund. 2018 wurde ihm der Frauen- felder Sport-Preis verliehen, 2019 und 2020 wurde er Schweizermeister. Mit seiner Glanzleistung an der WM 2021 in Stockholm sprengte er nicht nur seinen persönlichen Rekord um 15 Punkte, son- dern holte für die Schweiz die Olympia- Qualifikation für Peking 2022. Eine Qua- lifikation für die Wettkämpfe der Herren an der Olympiade wurde zuletzt 2010 in Vancouver erreicht.
Lukas, Du hast in einer Kindergruppe Schlittschuhlaufen gelernt – war das drinnen oder draussen?
Wir hatten Zeit zur Verfügung in einer Halle, was ich gut fand bei der Kälte. Auch heute laufe ich fast ausschliesslich in Hallen, weil da die Eisqualität meistens ähnliche Eigen- schaften aufweist. Natürlich kann es minime Unterschiede geben, je nach technischer Anlage und Pflegeaufwand.
Deine Mutter betreute ja damals diese Kindergruppe. Hat sie Dein Talent ent- deckt, oder war das der Trainer?
Weder noch. Den Ärmel hat es mir selber hi- neingenommen, ich fand einfach enorm Ge- fallen daran, mit diesem Tempo vorwärts zu kommen, Kurven zu kriegen und rückwärts fahren zu können. Wahrscheinlich ist das dem Trainer schon aufgefallen, sonst hätte er mich nicht unter seine Fittiche genom- men. Allerdings hatte ich weniger Talent als
andere, die deswegen viel früher anfingen. Das Manko kompensierte ich durch meine Hartnäckigkeit dabei, das zu erreichen, was ich wollte.
Ist diese Zielstrebigkeit immer noch in Dir, oder kannst Du Dich bereits mehr auf Deine Routine und Erfahrung abstützen? Das Gewinnen steht oft nicht unbedingt im Vordergrund, da es je nach Wettkampf auch wenig realistisch ist oder zu hohem persön- lichem Druck führt. Vielmehr braucht es Ziel- strebigkeit, um sich persönlich ständig zu verbessern und neue Bestleistungen zu brin- gen, die dann zum Gewinn führen. Hierfür ist aber auch eine gewisse Routine notwendig, die einem auch bei Fehlern, Unsicherheiten oder hoher Nervosität Stabilität und zumin- dest mentale Sicherheit geben. Dasselbe gilt für die Erfahrung: Klar, man darf sich nie auf ihr abstützen oder ausruhen, jedoch spielt sie eine wesentliche Rolle. Die Erfahrung gibt einem ein gewisses Selbstbewusstsein und hilft enorm, wenn man vielleicht nicht den besten Tag erwischt hat oder bei Nervosität. Die Routine und Erfahrung sind demnach wichtige Faktoren, die einen Einfluss haben,
aber alleine noch zu keinem Erfolg führen. Was zählt sind Selbstkontrolle, Konzentration und minutiöse Vorbereitung, physisch wie psychisch. So leicht die Figuren auch aus- sehen mögen, Eiskunstlauf ist Knochenarbeit und ein Hochleistungssport, der dem Körper alles abverlangt. Da- rum absolviere ich in der Wo- che drei bis vier Stunden Kraft- training. Mental-Training findet eher situativ statt, je nach Ver- fassung und Tagesform.
Hast Du Vorbilder?
Haben wir das nicht alle? Für mich war es früher Stéphane Lambiel, Weltmeis- ter 2005 und 2006, heute Trainer und Choreograph. Im Spitzensport kommt man ir- gendwann an einen Punkt, wo man aufhören sollte, sich an Vorbildern zu orientieren. Die Gefahr, sich nicht individuell
weiterzuentwickeln, ist zu gross. Klar schaut man links und rechts, wie es andere machen, aber was zählt ist das Streben nach Perfek- tion und Optimum.
Was machst Du in Deiner Freizeit?
Die ist recht karg bemessen, deshalb ver- bringe ich sie am liebsten mit meiner Freun- din und meinen Kollegen. Ich gehe gerne essen mit der Familie, das Sozialleben will auch gepflegt werden. Schon deshalb, weil ich in Deutschland trainiere und darum oft weg bin. Dann spiele ich, wenn möglich, ein- mal in der Woche Tennis auf Plausch-Niveau mit Ambitionen zur Steigerung, so kann ich es zu meinem Training zählen.
Was ist Dein aktuelles Ziel?
Da es mir schon gelang, die Olympia-Qua- lifikation zu erreichen, will ich die Chance nutzen, in Peking vorne mitzureden. Ich habe zwei gute Programme einstudiert mit über- zeugenden Highlights, gebe alles, was ich habe und trainiere hart, damit die Jury das auch so sehen wird.
lukasbritschgi.com
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