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 «Da passiert ja gar nichts»
Text und Interview: Thomas Lüthi Foto linke Seite: © Ayse Yavas
An einem Septembermorgen ist am betriebsamsten Ort der Schweiz – Zürich HB – am Kopf von Gleis 12 eine Oase der Ruhe entstanden. Dort wird eine Szene für «Die goldenen Jahre» gedreht. Ein Grossteil von Crew und Cast bei der von Zodiac Pictures produzierten Komödie steht herum, wartet und trinkt Kaffee. Mit- tendrin ist Regisseurin Barbara Kulcsar (u.a. «Tatort» und «Der Bestatter»). Bei ihr laufen alle Fäden zusammen, sie hat den kreativen Lead auf dem Filmset. Doch momentan ist auch sie nicht in Aktion, scheint einfach ein bisschen mit ihrer Hauptdarstellerin Esther Gemsch zu plaudern.
«Da passiert ja gar nichts, da arbeitet ja gar keiner», werden Aussenstehende unwei- gerlich denken. Und liegen natürlich falsch. Die Ruhe täuscht. Denn irgendwo auf einem Filmset wird immer gearbeitet – hier sind es letzte Korrekturen am Licht. Sobald diese abgeschlossen sind, kommt das nächste «department» an die Reihe. Wer miteinander redet – so wie Barbara Kulcsar mit Esther Gemsch gerade –, tut das häufig aus einem ganz bestimmten Grund. Das ist kein Small- talk. Wer einmal beispielhaft miterleben will, was Zusammenarbeit bedeutet, tut das am besten auf einem Filmset wie bei dem von «Die goldenen Jahre».
Barbara Kulcsar, wann stehen Sie bei einem Dreh jeweils auf?
Das bestimmt die Dispo, also unser Tages- plan... Ich stehe eigentlich immer früh auf – ich habe Kinder, die in die Schule müs- sen. Aber wird tagsüber gedreht, werde ich um halb acht abgeholt. Nach zehn Stunden ist Schluss. Ein Nachtdreh geht von halb acht bis morgens um halb fünf. Manchmal wird auch von mittags bis um Mitternacht gearbeitet.
Das sind lange Arbeitstage ...
Ja, das sind sie. Neben den Dreharbeiten vor Ort laufen ja noch andere Prozesse parallel: der/die CutterIn arbeitet bereits am Roh- schnitt. Da will ich auch auf dem Laufenden sein. Häufig gibt es an den Wochenenden Zusatzaufgaben: Eine neue Darstellerin reist
an, die will ich begrüssen. Oder ich besich- tige Drehorte der bevorstehenden Woche.
Ein Riesenstress also
Die sechs Wochen vor Drehbeginn sind eigentlich fast anstrengender. Weil jeder etwas von dir wissen will und viele Ent- scheidungen gleichzeitig getroffen werden müssen. Es geht um Kostümwahl, Maske, Location und so weiter. Und ganz wichtig: Ich setze mich mit meinem DOP (Director of Photography) zusammen. Bei «Die goldenen Jahre» ist es Tobas Dengler – mit ihm arbeite ich schon zum vierten Mal zusammen.
Ist der Kameramann wirklich so wichtig?
Oh ja. Mit ihm entwickle ich die Bildspra- che. Wie will ich visuell erzählen? Wie soll geschnitten werden, und wie setzen wir das Licht? Wir inspirieren uns gegenseitig und ‹pingpöngeln› Ideen. Bald nehmen wir die Szenenbildnerin dazu. Da diskutieren wir die Lebensumstände der Figuren. Wo wohnen sie? Wie sind sie eingerichtet?
Warum sind Sie eigentlich Regisseurin geworden?
Lustigerweise führte das über eine Erkennt- nis, was ich NICHT werden wollte. Nämlich Schauspielerin. An der Schule in Buda- pest sollte ich die Lady Macbeth spielen. Erklären konnte ich ausgezeichnet, wie’s ihr geht. Doch meinem Lehrer passte das
nicht: «Du musst nicht erklären, sondern spielen und etwas von dir persönlich zei- gen.» Ich: «Nein, das will ich nicht. Das in- teressiert mich nicht.» Er: «Dann bist du im falschen Beruf.»
Was interessiert Sie stattdessen?
Eben nicht ‹bloss› eine einzige Rolle, sondern ganze Figurenkonstellationen, aus denen heraus sich eine spannende Geschichte erzählen lässt. Das steht immer am Anfang. Und dann natürlich das grosse Ganze, die Zusammenarbeit mit meinen KollegInnen. Ein Film – während der Vorbereitung, wäh- rend dem Dreh und in der Postproduktion – besteht aus vielen Teilen. Die alle zu- sammenzubringen, finde ich unglaublich spannend.
Jetzt drehen Sie gerade «Die goldenen Jahre». Was mögen Sie davon verraten? Im Buch von Petra Volpe geht es um ein lang verheiratetes Paar, das nach der Pensionie- rung entdeckt, wie sehr ihre Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft auseinan- derklaffen. Das Paar gerät in eine Krise. Es ist eine Situation, die einen hohen Wiederer- kennungswert hat.
Und was passiert dann?
Das verrate ich hier natürlich nicht. Am Bes- ten findet man das selber heraus: nächstes Jahr im Kino.
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