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«Es ist wunderschön, nun beide Stifte in meinem Köcher zu haben»
Text und Interview: Janine Tschopp Fotos: Dario Zimmerli
Seit 18 Jahren wohnt der Aargauer Musiker Seven im Herzen von Luzern. Im Interview spricht er unter anderem über seine Wahlheimat, dass er Musik schon mit der Muttermilch bekommen hat und warum er heute deutsche Lie- der singt.
Seven, warum hast Du Luzern als Deine Wahlheimat ausgesucht? Was schätzt Du speziell an diesem Ort?
Luzern ist eine wunderschöne Stadt und eine der schönsten auf der ganzen Welt. Der Mix aus Stadt und doch Dorffeeling ist herr- lich. Man lebt in einer Postkarte, und immer, wenn ich durch die Stadt gehe mit meiner Familie, wird mir bewusst, dass die meisten Menschen auf der Welt unfassbar viel Geld bezahlen, um hier überhaupt ein paar Tage in den Urlaub gehen zu können. Es ist eine Traumstadt.
Du bist als Sohn einer Pianistin und eines Tenors aufgewachsen. War es für Dich immer klar, Musiker zu werden?
Musiker zu sein, hat nichts mit dem Beruf zu tun. Das ist keine Entscheidung. Das ist man einfach. Es ist schon in dir drin. Und ich habe die Musik tatsächlich schon mit der Mutter- milch mitbekommen. Mit Eltern, die sich beide in der klassischen Musik bewegen, und einem Schlagzeuger als Bruder wuchs ich mitten in Musik auf. Bei uns zu Hause wurde immer Musik gemacht, und ich habe von Kindsbeinen an gesungen. Ich habe ge- sungen, bevor ich überhaupt begriffen habe, dass man das eigentlich lernen muss. Schon früh durfte ich mit meinem Bruder in Bands auftreten. Bereits als Teenie lernte ich die betriebswirtschaftliche, organisatorische und logistische Seite des Musikerberufes kennen, da ich schon früh die Chance hatte, in unserem Dorf Konzerte zu organisieren. Das wurde zu meinem Job, und ich konnte mir Ferien oder eine neue Gitarre leisten. Mit 20 gründete ich eine eigene GmbH und realisierte bald, dass ich immer mehr Seven- Gigs organisierte. Den aktiven Entscheid, auf die Karte Musik zu setzen, gab es bei mir nie. Ich wurde fliessend selber zum Act.
Der Aargauer Musiker Seven und seine Frau wohnen mit ihrer Familie seit 18 Jahren im Herzen von Luzern.
Seit gut einem Jahr singst Du in deut- scher Sprache. Wie fühlt sich das an? Warum hast Du nicht früher begonnen, in Deiner Muttersprache zu singen?
Ich habe im Jahr 2002 mein erstes Album veröffentlicht, und Soul war für mich immer englisch. Obwohl ich in meiner Mutterspra- che Schweizerdeutsch immer wieder für Rap-Künstler aus der Schweiz gesungen habe. Sprich: Die eigenen Songs waren im- mer in Englisch, und Features waren auch immer mal wieder in Mundart. Deutsche Sprachkunst habe ich als Konsument bei- nahe ausschliesslich in Büchern konsumiert und musikalisch durch eine tägliche Dosis meiner Deutschen Rap-Helden wie Samy Deluxe, Freundeskreis, Kool Savas, Curse, Toni L, Torch, Beginner, David P und Dende- mann. Geschrieben habe ich immer schon auch auf Hochdeutsch. Aber diese Texte zu singen, war für mich undenkbar. Als ich 2016 in der deutschen Sendung «Sing Mei- nen Song» «99 Luftballons» von Nena auf Deutsch gesungen habe, wurde die deut- sche Sprache plötzlich auch ein Teil mei- ner musikalischen Reise, und live war der Song immer dabei. Immer mehr habe ich die Schublade mit all den deutschen Texten geöffnet, und immer mehr kam der Wunsch hoch, diese doch auch zu singen. Nach dem ersten Song «Seele» war die Büchse der Pandora offen, und nun schreibt mein Stift wie ein Teenager. Es ist wunderschön, nun beide Stifte in meinem Köcher zu haben und
beides auszuleben. Musik hat viel weniger Regeln, als ich einmal gedacht und lange selbst gepredigt habe.
Fühlen sich aktuelle Auftritte an wie vor Corona?
Nein, das tun sie noch überhaupt nicht. Auf der einen Seite sind es natürlich auch nicht die 80 – 100 Auftritte pro Jahr wie vor der Pandemie, und auf der anderen Seite herrscht momentan noch eine so gespal- tene Stimmung und eine Ungewissheit, dass es für mich momentan noch keinen Sinn macht, auf Tour zu gehen. Ich habe mich Anfang Jahr entschieden, meine Tour in den Februar 2022 zu schieben, weil ich dem Ganzen einfach noch ein wenig mehr Zeit geben möchte. Im Februar freue ich mich, in den gewohnten Locations und in bestuhlter Atmosphäre die ersten Schritte zurück in die neue Normalität zu machen.
Worauf freust Du Dich am meisten, wenn Du in die Zukunft schaust?
Ich hoffe, wir werden bald wieder mehr eine Einheit und können gemeinsam auch wieder Veranstaltungen geniessen, und diese graue Coronawolke hängt nicht dau- ernd über allem. Es ist so erdrückend und raubt so viel Freude und Energie, die, wie ich denke, alle gerne wieder in andere Dinge investieren möchten.
www.sevenmusic.ch
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