Page 31 - Bo_Zuerich_10F
P. 31

 Wer Tiere kennt, wird Tiere schützen ...
Text und Interview: Maximilian Marti Foto links: Zoo Zürich, Goran Basic Foto rechts: Zoo Zürich, Enzo Franchini
... ist der Wahlspruch des Zürcher Zoos. Dieser Ansicht ist auch Dr. Severin Dres- sen, seit rund eineinhalb Jahren Direk- tor des Zoos. Während seines Studiums an der Humboldt-Universität und am Imperial College in London sammelte er praktische Erfahrungen in Zoos, Tier- und Nationalparks in Argentinien, Spanien und Deutschland. Nach seiner Promotion in Zoologie an der Universität von Oxford wurde er Kurator, dann stv. Direktor und zoologischer Leiter des zoologischen Gartens Wuppertal.
Dr. Dressen, warum haben Sie Zoologie studiert?
Ich habe mich früh für Fragen rund um die Natur und Tiere interessiert. Warum zum Beispiel finden Erdkröten jedes Jahr zu- rück zu ihrem Geburtsort? Warum leben Eintagsfliegen nur wenige Tage? Warum organisiert die Natur alles, egal was sie her- vorbringt, gerade auf diese Weise? Solche und viele andere Fragen wollte ich beant- wortet haben. Später habe ich in Zoos be- obachtet, wie sich auch andere Menschen für Tiere und ihr Wohlergehen begeistern. Da erkannte ich, dass ich mich an dieser Schnittstelle für Tier, Natur, Forschung und Mensch einbringen wollte. Um dorthin zu gelangen, studierte ich Biologie und pro- movierte in Zoologie.
Vor rund eineinhalb Jahren zogen Sie nach Zürich, um Ihre Funktion als Zoodirektor anzutreten. Welches war bisher Ihr gröss- tes Erlebnis?
Erst kürzlich verbrachte ich mit meiner Fa- milie ein Wochenende im Berner Oberland. Die Nacht ohne Lichtverschmutzung be- scherte uns einen wundervollen Sternen- himmel. Dann sind wir seit unserer Ankunft überwältigt von der Offenheit, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft, die uns entgegen- gebracht wird. Das Klischee von einer zu- rückhaltenden, schon eher verschlossenen Schweizer Bevölkerung können wir nicht bestätigen. Wir haben hier in den ersten vier Monaten mehr Leute kennengelernt als in den letzten vier Jahren in Deutsch- land. Auch die omnipräsente Qualität beein-
druckt uns immens: der ÖV, das Essen, der Strassenunterhalt und vieles mehr. Einfach grossartig!
Die Existenzberechtigung von Tierhaltung in Gefangenschaft wird vielfach kritisiert, abgelehnt oder verurteilt. Warum gibt es trotzdem Zoos?
Wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie sofort erfinden. Ein moderner, gut geführter Zoo hat als einzige Institution das Poten- tial, gleichzeitig zur Bildung beizutragen, zu forschen und Natur- und Artenschutz zu betreiben. Bildung heisst, die Menschen für Natur-, Arten- und Tierschutz zu sensi- bilisieren. Zu forschen heisst, Tiere und ihre Biologie besser zu verstehen. Denn nur was wir verstehen, können wir effektiv schützen. Dazu kommt, dass Zoos dank der Haltung und Nachzüchtung bedrohter Tierarten dazu beitragen können, diese zu erhalten und neue Populationen aufzubauen. Alle diese Aufgaben unter einem Dach zu ver- einen, schafft nur der Zoo. Leider ist das dringlicher denn je. Jahr für Jahr steigt die Anzahl bedrohter oder ausgerotteter Arten. Deshalb sind Zoos als Schlüsselstelle zur Aufklärung auch wichtiger denn je.
Welche Veränderungen sind vorgesehen?
Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, von meinem Vorgänger, Zoodirektor Alex Rübel, eine ausgezeichnete Basis für die Zukunft übernehmen zu dürfen. Wir haben nun die Aufgabe, den Zoo erfolgreich in diese Zu- kunft zu führen. Meine praktischen Erfah-
rungen in der Tierhaltung ermöglichen es mir, auch im Tierbereich mitreden zu können und nicht nur das Management im Fokus zu haben. Die Planung bis 2050 haben wir zu- sammengefasst im Arbeitsband «Zoo der Zukunft». Der auch nach bald zwanzigjäh- rigem Bestehen immer noch spektakuläre Masoala Regenwald ist dabei die Messlatte für kommende Projekte, die beispielsweise Pantanal-Voliere, Kongo, Sumatra-Regen- wald und Meeresküste heissen. Sie sollen das zukünftige Bild des Zoo Zürich prägen.
Was wird dabei die grösste Herausforderung sein?
Solche innovativen Grossprojekte sind auf- grund ihrer Komplexität natürlich immer eine gewisse Herausforderung. Zum Glück haben wir in der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft eine breite Unterstützung. Eine Knacknuss ist bei uns die bessere Anbin- dung an den ÖV, die wir durch die Erschlies- sung einer neuen ÖV-Achse verbessern wollen. Hier bestehen von einzelner Seite noch Zweifel – zu Unrecht. Eine Seilbahn vom Bahnhof Stadelhofen direkt zum Zoo würde nicht nur der besseren und nach- haltigeren Erreichbarkeit des Zoos mit dem ÖV dienen, sondern wäre auch eine neue Attraktion der Stadt Zürich.
zoo.ch/zukunft zoo.ch
   321


















































































   29   30   31   32   33