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 «Das Essen muss von Herzen kommen»
Text und Interview: Janine Tschopp
Fotos: Ornella Cacace (links), Pascal Gertschen (rechts)
Ralph Schelling gehört zu den prägen- den Figuren der Schweizer Küche. Seine Sporen hat er sich bei Spitzenköchen wie Horst Petermann, Heston Blumenthal und Andreas Caminada verdient. Heute setzt der Wahlzürcher sein grosses Kön- nen und seine Leidenschaft weltweit in privaten Küchen oder bei Events ein.
Was hast Du zuletzt gegessen?
Gestern waren Freunde zu Besuch und ich habe Eglifilet aus dem Zürichsee gekocht. Ich habe den Fisch wie den spanischen Tapas-Klassiker Escabeche, mit einer sau- ren Essigmarinade, zubereitet und lauwarm serviert.
Würdest Du manchmal nicht auch gerne einfach hinsitzen und Dich bedienen lassen?
Natürlich schätze ich es auch, wenn ich eingeladen bin. Und ich esse auch gerne in einem Restaurant. Aber es macht mir nichts aus, auch in meiner Freizeit viel Be- such zu haben und Freunde zu bekochen. Im Gegenteil: Kochen ist für mich Hobby und Beruf gleichzeitig. Es ist kein Müssen. Das war es noch nie.
Wusstest Du schon als Bub, dass Du Koch werden willst?
Ja. Ich habe schon als kleiner Bub gerne meiner Mutter und meiner Grossmutter in der Küche geholfen. Mein Pfadiname war «Moulinex», weil ich immer geschnipselt, gerüstet und etwas für alle geköchelt habe.
Und in der Kochschule?
In der Kochschule habe ich immer alles anders gemacht. Die Lebensmittel habe ich so kombiniert, wie ich das wollte und für gut befand und nicht so, wie es vor- geschrieben war. Das verhalf mir nicht un- bedingt zu guten Noten (lacht)... Als mir meine Tante dann ein Kochbuch von Horst Petermann schenkte, fuhr ich sofort mit meinem «Töffli» von Flawil (SG) nach Küss- nacht (ZH) zu «Petermann’s Kunststuben». Das war der Anfang des Wegs, den ich bis heute gehen darf. Ich lernte viel bei Horst Petermann. Später durfte ich das Hand- werk bei weiteren Lehrmeistern vertiefen.
So zum Beispiel beim Bündner Sternekoch Andreas Caminada, bei Ferran Adrià an der Costa Brava und bei Heston Blumenthal in Grossbritannien.
Heute zeigst Du Dein Können auch in privaten Küchen und an Events auf der ganzen Welt. Welches ist Deine Lieblingsküche?
Die italienische Küche gefällt mir nach wie vor sehr gut. Zum Beispiel koche ich sehr gerne meine hausgemachten Gnocchi oder geschmorte Fleischstücke.
Wie sieht ein perfektes Essen aus Deiner Sicht aus?
Das Wichtigste ist, dass es von Herzen kommt. Beim Essen muss man die Leiden- schaft des Kochs spüren. Ich selber reali- siere das auch immer wieder, wenn ich in ein Restaurant essen gehe, wo der Koch selber präsent ist und sein Handwerk mit Liebe und Leidenschaft ausübt. Es muss auch nicht immer perfekt sein. Wer standardisiert essen will, kann McDonald’s besuchen.
Was isst Du am liebsten?
Ich esse alles gerne. Am liebsten habe ich Lebensmittel der entsprechenden Region. Auch bei uns in der Schweiz haben wir eine Riesenauswahl. Es wächst soviel bei uns. Ich finde, wir müssen nicht immer Dinge vom anderen Ende der Welt essen.
Welches sind aus Deiner Sicht die grossen Herausforderungen beim Kochen? Ausser den Allergien und Unverträglich- keiten, die in den letzten Jahren bei Ge- sellschaften immer stärker zugenommen haben, gibt es aus meiner Sicht kaum He- rausforderungen. Trotzdem bin ich jedes
Mal nervös, wenn ich für Menschen kochen darf. Das ist auch gut so. Schauspieler ha- ben auch nach Jahrzehnten noch vor jeder Aufführung Lampenfieber.
Welchen Bezug hast Du als Ostschweizer zu Deiner Wahlheimat Zürich?
Ich liebe Zürich. Es gibt hier viele kleine Cafés und Bars, wo ich mich sehr gerne aufhalte. In dieser Stadt entstehen viele in- novative, lässige Ideen. Das gefällt mir.
2008 warst Du der jüngste Gewinner des Swiss Culinary Cup. Seither hast Du für Prominente auf der ganzen Welt gekocht. Hast Du überhaupt noch Ziele und Wün- sche für die Zukunft?
Ja, es gibt noch viele Länderküchen, die ich noch nicht kenne. Ich liebe es, irgendwo auf der Welt zusammen mit anderen Menschen zu kochen und zu wirken. Es ist sehr span- nend, immer wieder Neues zu entdecken und zu lernen.
Wer gerne wissen will, wo Ralph Schelling gerade an welchen Projekten arbeitet, darf ihm gerne auf Instagram (@ralph.schelling) folgen. Rezepte und weitere Informationen unter www.ralphschelling.com.
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