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«If We Dont Shout» – Muriel Rhyner und die Delilahs
Text und Interview: Bianca Ritter Foto: Tabea Hüberli
Die Delilahs aus Zug stehen mittlerweile im 17. Jahr ihrer Bandgeschichte. «If We Don’t Shout» hiess 2008 die erste EP. Vor-Shouterin Muriel Rhyner stand uns Rede und Antwort.
Muriel, gehen wir doch gleich zurück ins 2008. Was wäre denn gewesen, wenn Ihr damals nicht «geshoutet» hättet?
Die EP war für uns ein Befreiungsschlag nach einer bewegten Anfangsphase. Ich meinte, ich singe den Satz so zu Ende: «If we don’t shout we’ll all go insane» – das wird damals wohl so zugetroffen haben. In dieser frühen Phase der Delilahs waren Isabella Darling und ich kurzfristig nur noch zu zweit. Wir mussten von Null oder sogar noch tiefer neu anfangen, und dieses Ungewisse hatte, nebst eher beängstigenden Aspekten, auch einen sehr kreativen Touch.
Auf Eurer Page steht: Den ersten gemein- samen Nenner, den die Delilahs unterein- ander ausmachen konnten, war die Punk- Musik. Euer Sound ist im Lauf der Jahre immer melodischer geworden. Ich höre eher Indie Pop/Rock, hie und da vielleicht mit sanften New Wave-Anleihen. Wie de- finierst Du Euer Oeuvre?
Je länger ich Musik mache, desto mehr sträube ich mich gegen das musikalische Schubladisieren. Gerade wir bewegen uns seit jeher zwischen den Stilen, trotzdem unter dem Oberbegriff Pop, da ich ohne schöne Melodien schlichtweg nicht sein kann. Wenn man weiss, dass wir im Herzen PunkrockerInnen sind, hilft das vielleicht, um unseren Sound besser analysieren zu können. Ein Song soll rasch auf den Punkt kommen, Energie versprühen und anregen – ich würde sagen, dies haben wir Delilahs vom Punkrock übernommen.
Du bist Songwriterin und Sängerin der Band. Woher nimmst Du die Inspiration für die Songs bzw. die Texte? Wie viel Mu- riel steckt da drin?
In jedem Song stecke ich, aber auch die Band, mein Umfeld, mein Leben. Ich schreibe nicht immer direkt über mein Leben, aber immer über Dinge, die mich bewegen oder irgend- wie betreffen. Im Songwriting suche ich nach
der «Magie» – etwas, meist Musikalisches, was mich nicht mehr loslässt und mehr als nur eine musiktheoretisch naheliegende Kombination ist. Zu oft höre ich Songs, die keine Seele oder Magie haben. Dies möchte ich auf jeden Fall vermeiden.
Punk war ja mal in seiner ersten Inkar- nation anno 76/77 gegen das vorherr- schende Establishment. «No Future» war ein Schlachtruf, ein Bekenntnis. Spätes- tens seit Green Day und Konsorten ist Punk – oder was daraus wurde – popu- lär, mehrheitlich salonfähig und massen- tauglich. Gibt’s die alten Punk-Attitüden eigentlich noch?
Eigentlich kann man den Punk von damals, die Dringlichkeit, kaum mit heute verglei- chen. Mich und uns begleitet die Punkrock- Musik bereits seit Kindestagen. Sie ist also in unserer DNA tief drin. The Clash zum Beispiel, eine der besten Bands überhaupt. Der Punk aus England hat mich persönlich immer mehr fasziniert. Und heute gibt es auch viele aktive, sehr tolle und mensch- lich fantastische Punkrockbands «made in Switzerland».
Und gleich die Folgefrage: Was für Bands/ Musiker haben Dich bzw. die Delilahs beeinflusst?
Als ich mit 12 in meiner ersten Band spielte, waren Musikerinnen noch viel rarer als heute. Meine Vorbilder waren fast aus- schliesslich Bands bestehend aus Män- nern, da schlichtweg die sichtbaren weibli- chen Vorbilder gefehlt haben. Die erste reine Frauenband habe ich erst mit ca. 14 Jahren auf MTV entdeckt, diesen Moment vergesse ich nie. Ab da wusste ich, dass es auch an- dere Frauen gibt, die genauso wie ich ab- rocken wollen, fühlte mich bestärkt und nicht mehr so allein. Zum Glück hat sich die
Situation in den letzten 20 Jahren verbessert – auch dank Helvetiarockt, der Koordinati- onsstelle für Frauen* im Rock, Pop und Jazz.
Die Delilahs stehen mittlerweile im 17. Jahr Bandgeschichte mit über 650 Kon- zerten auf dem Buckel. Beachtlich. Wie sieht die Zukunft der Band aus? Neues Album, neue Tour, nochmal 17 Jahre Vollgas?
Auf jeden Fall mindestens 17 weitere Jahre Vollgas! Zurzeit kann ich nicht genau sa- gen, was die Delilahs in der näheren Zu- kunft alles machen werden oder können. Momentan geht es leider auch darum, den Kopf über Wasser zu halten. Die Pandemie hat natürlich auch uns getroffen. Jedes Al- bum kostet ordentlich viel Geld, welches wir ohne Konzerte nicht einspielen können. Laufende Kosten bleiben auch ohne Tour bestehen. Der Band-Bus ist eben erst ab- gelegen, kommende Konzerte wohl wieder abgesagt oder verschoben ... Alles nicht so einfach gerade. Aber, wir haben bereits so viele verschiedene Ups und Downs kennen- gelernt in unserer Bandgeschichte, auch das werden wir schaffen.
Und apropos Zukunft. Im Moment sieht ja vieles nicht so rosig aus. Es ist ungemüt- lich, die Welt ist aus den Fugen geraten, Menschen – gerade in Europa – werden so stark fremdbestimmt wie noch nie zuvor. Hast Du Angst?
Nein, ich persönlich habe keine Angst. Es sind verrückte Zeiten, je kühler der Kopf bleibt, desto besser kommt man wohl durch. Aber ich mache mir durchaus Sorgen um die alternative, eher nicht kommerzielle Musik- und Kulturszene. Einnahmen fallen weg, ohne irgendeine Möglichkeit auf Ent- schädigung, da z.B. nicht immer alle Mu- sikschaffenden Vollzeit kreativ arbeiten, da zählen auch wir dazu. Ich hoffe fest, dass die Szene diese schwierige Phase übersteht und weiterhin aktiv bleibt. Denn meiner Mei- nung nach machen sie das Herz und die Seele der Kulturszene aus, auch wenn man sie nicht immer wahrnimmt.
Herzlichen Dank für das spannende Ge- spräch und weiterhin «good luck» mit den Delilahs.
delilahsmusic.com
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