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 «Ich bin nicht mehr der Gleiche wie vor
fünf Jahren»
Dann hast Du deinen «Stieregrind» abgelegt?
(Lacht herzhaft)
Das hast Du selbst mal so formuliert ...
Ja, das traf früher auch absolut zu. Ich bin definitiv nicht mehr der Glei- che wie vor fünf Jahren, bin sehr viel gelassener geworden. Klar, wenn ich in einer Diskussion das Gefühl habe, dass mein Gegenüber komplett auf dem Holzweg ist, kann ich immer noch «en Grind ha». Aber grundsätz- lich bin ich ein sehr harmoniebedürfti- ger Mensch und hasse Spannungen.
Man spricht oft von einer «Familie», viel mehr als bei anderen Sportar- ten. Ist das tatsächlich so oder wird da ein bisschen romantisiert?
Hm, ich will es mal so sagen: Der Kreis ist bei uns ja relativ klein und überschaubar, jeder kennt jeden. Da- her ist die Stimmung bei Wettkämp- fen und Schwingfesten tatsächlich sehr familiär. Zum Schluss gibt’s immer ein gemütliches Fest. Aber
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: Andreas Busslinger
«Gelassenheit» – dieses Wort fällt im Ge- spräch mit Pirmin Reichmuth mehrmals. Die brauchte der Chamer Schwinger tat- sächlich, als er sich im April 2021 – noch vor dem Start der Saison – einmal mehr einen Kreuzbandriss zuzog. Dreimal war zuvor das rechte Knie betroffen, diesmal das linke.
Dabei wäre Reichmuth nach der coro- nabedingten Pause gleich an mehreren Schwingfesten als Titelverteidiger gestar- tet, u. a. auf der Klewenalp und dem Brünig. Stattdessen musste der «Bärenmann» erst mal unters Messer. Und im ganzen Trubel auch noch sein Physiotherapie-Studium abschliessen.
«Bärenmann» ist übrigens keine Umschrei- bung seiner imposanten 1.98 Meter, son- dern die altkeltische Herkunft seines Vorna- mens. Dies und allerhand mehr verrät er auf seiner Webseite: So schwimmt er gerne im Zugersee, trägt Schuhgrösse 49.5 (!), man darf ihn ruhig «Piri» nennen und erst noch duzen. Na, dann tun wir das doch.
Der Mensch sollte seinen Körper lieben, heisst es immer wieder. Bei Dir und Dei- nen Knien stelle ich mir das schwierig vor ...
Naja, grundsätzlich mag ich ihn schon und verstehe Leute nicht, die ständig etwas ans sich bemängeln. Aber meine Knie sind tat- sächlich meine «Achillesferse». Damit muss ich mich leider abfinden.
Die erneute Verletzung war ja sicher ein Riesenschock! Wie lange dauerte es, bis Du Dich einmal mehr aufraffen und nach vorne blicken konntest?
Nach der Diagnose des Arztes brauchte ich erst einmal zwei, drei Tage, um alles einzu- ordnen und mir meine Gedanken zu machen. Ich bin nicht der Typ, der sofort rausposaunt: Alles bestens, ich komme zurück, stärker denn je, bla, bla, bla. Ich musste das erst einmal setzen lassen. Nun liegen einige Mo- nate Reha hinter mir. Ich fühle mich gut und weiss, dass ich wieder schwingen möchte. Wann ich zurückkehre, ist aber noch offen. Sicher nicht zu Beginn der Saison 2022.
Pirmin Reichmuth vor heimischem Publikum am Eidgenös- sischen Schwing- und Älplerfest 2019 in Zug
 Wie stark war der Gedanke, alles hinzuschmeissen?
Ich konnte mich zugegeben nicht immer voll motivieren und fragte mich ab und zu: Wozu mache ich das eigentlich alles? Aber das geht anderen Menschen ja auch so. Meine Freude an diesem Sport ist nach wie vor riesig. Wenn ich nicht schwingen kann, bin ich wie in Hund, dem man das Spielzeug weggenommen hat. Ich war in den letzten Monaten daher sicher nicht immer ein an- genehmer Zeitgenosse.
Verständlich! So etwas steckt man nicht einfach weg. Wie haben Dich diese Erfah- rungen generell geprägt?
(Überlegt einen Moment) Früher nahm ich das Schwingen viel zu wichtig, als ob es um Leben und Tod ginge. Obschon mir bewusst war: Egal ob ich gewinne oder nicht – nach einer Woche ist es vergessen. Inzwischen hat sich das stark relativiert, weil ich durch die Pausen auch eine Aussensicht erhalten habe. Ich bin noch immer voller Leiden- schaft dabei, habe aber gelernt: Erzwingen lässt sich nichts. Und: Es gibt auch ein Le- ben neben dem Schwingen!
die restliche Zeit über besteht auch unter den Schwingern kein enger Kontakt, ausser man trainiert im gleichen Verein.
Man denkt beim «Hoselupf» auch schnell an Kühe, Käse und Jodeln. Oder ist das ein längst überholtes Cliché?
In der Regel sind Schwinger tatsächlich sehr bodenständige Typen, fast alle stehen im Berufsleben, viele sind Handwerker. Zu- dem ist es ein traditionell-ländlich gepräg- tes Umfeld. So abwegig ist das Cliché also nicht.
Zum Schluss: Ganz so schlecht war das Jahr 2021 trotz Verletzung doch nicht: Du hast Deine Marion geheiratet!
Ja, das war schwierig für mich ...
Bitte?
(Lacht) Nicht falsch verstehen! Ich bin es mir vom Sport her halt gewohnt, das Zep- ter in der Hand zu halten. Hier musste ich mich auf alles einlassen, was passierte. Das habe ich so noch nie erlebt. Aber es hat sich gelohnt: Unsere Hochzeit war wunderschön!
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