Page 10 - Best_of_StGallen_8_2020
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Flieg, Simi, fliiiiieg! ...
Text und Interview: Maximilian Marti
... soll ein Reporter einmal gerufen haben, als Simon Ammann oben auf der Schanze stand. Und genau das tut «Simi» mit Leib und Seele. Wohl kaum ein Sportsmann erlebte in seiner Karriere so extreme Höhen und Tiefen wie dieser vierfache Toggenburger Gold-Olympiake. Wie er als Skiflieger immer wieder Rück- schläge, Unfälle und Form-Tiefs weg- steckte hängt der sympathische Anti- Star nicht an die grosse Glocke. Ebenso- wenig stellt er seine Medaillensammlung in den Blickpunkt, obschon er mit 12x Gold, 18x Silber und 6x Bronze allen Grund dazu hätte.
Was ihn pro liert, sind zahllose Spitzenre- sultate und das, was ihn begleitet bei allem was er unternimmt: Der unerschütterliche Glaube an sich selbst, seine Stehauf-Qua- lität, ein extrem zäher Siegeswille und sein goldiger Humor, der ihn auch in dunkelsten Zeiten nicht verlässt. Dieses Arsenal und seine umsichtige Art, an Herausforderungen heranzugehen, machen Simon Ammann zur guten Figur auf dem Podest, auf dem Gala- Parkett, als Privatpilot und Fallschirmsprin- ger oder in seiner Rolle als Ambassador der Special Olympics. Ein bemerkenswertes Zeichen setzte er mit dem Kauf und Wieder- aufbau des «Hirschen» in Alt St. Johann. Mit diesem Projekt will er seinen Teil beitragen zum Erhalt des Dor ebens, und mit dem Hotel und Restaurant möchte er Arbeits- plätze schaffen.
1997 machte er als damals 16-Jähriger Furore in Oberstdorf, als er erstmals antrat beim Eröffnungsspringen zur Vierschan- zentournee, gleich den überraschenden 15. Rang belegte und sich damit in die Olym- piamannschaft katapultierte. In den Folge- jahren folgten Höhen und Tiefen, die einen Ski ieger formten, der mit zwei Olympia- Doppelsiegen (2002 in Salt Lake City, 2012 in Vancouver) zur lebenden Legende wurde.
Simon wusste sich in Form und an der Spitze zu halten und holte in einer bewegten Karri- ere mit vielen Highlights immer wieder Gold, Silber und Bronze an den wichtigen Events. Trotz dieser Omni-Präsenz umwehte ihn sporadisch Gemunkel um Aufhören und Rücktritt vom Spitzensport. Aufhören? Wohl kaum: Jetzt, nach zwei Monaten Corona- Pause, trainiert der Über ieger mit dem Ziel, an der Ski ug- und nordischen WM 2021, aber vor allem an der Olympiade 2022 in Peking seine Derniere zu geben.
Warum nochmals?
Simon Ammann: Weil ich Spass habe am Skispringen und mich wohlfühle bei der Vor- stellung, nochmals ganz oben mitzureden. Weil die Konstellation aus körperlicher und mentaler Bereitschaft, Training und Material optimal ist, und weil ich überzeugt bin, das Richtige zu tun. Ich bin hochmotiviert und bereit, in jeder Beziehung alles zu geben, um dieses Ziel zu erreichen. Nach Olym- pia 2022 werde ich mich vom Spitzensport zurückziehen.
Und danach?
Natürlich werde ich der Ski ug-Szene im Allgemeinen und dem Sport immer verbun- den bleiben. Aber nach Peking werde ich ein Alter erreicht haben, das mich zu Neu- orientierungen ermuntert – mit ein Grund, warum ich mich zum Kauf des Hotels Hirschen entschieden habe.
Wird man Sie ab und zu dort begrüssen können?
Ich werde im Betrieb mitarbeiten, aber nicht an vorderster Front. Ich habe mir vorge- nommen, dieses Unternehmen auf Erfolgs- kurs zu bringen. Aus Erfahrung weiss ich, dass dieser Kurs nur erreicht und gehalten werden kann mit viel Herzblut, totalem En- gagement und minutiöser Vorbereitung auf die Aufgabe. Deshalb absolviere ich zurzeit ein Studium für Wirtschaft, damit ich für diese Aufgabe über das richtige Werkzeug verfüge.
simonammann.ch
Vom «Brettlehupfen» zum Skispringen/Skifliegen
Die Geschichte dieser beeindruckenden Sportart begann wahrscheinlich in der norwegischen Provinz Telemark, der Geburtsstätte des Skilaufens schlecht- hin. Dort soll 1796 der holländische Seeof zier Cornelius de Jong norwe- gische Soldaten bei einer Übung im Schnee beobachtet haben, wie sie auf langen Gleitbrettern an den Füssen mit Sprüngen bis zu 7 Metern Hindernisse am Hang überwanden. 1860 soll der Zimmermann Sondre Norheim in Oslo (damals noch Christiania) bereits einen Sprung von 30,5 Metern geschafft ha- ben. Norwegische Auswanderer mach- ten Skispringen sukzessive im übrigen Europa und in Amerika bekannt, was 1879 zum ersten jährlich statt ndenden Wettkampf auf dem Husebybakken in Oslo führte.
1892 wurde der Wettkampf auf den Holmenkollbakken verlegt, den heutigen Hotspot des nordischen Wintersports. Auf einem zugeschneiten Misthaufen im bayrischen Mürzzuschlag begann 1891 europaweites Skispringen. Ein erster Wettkampf fand 1893 in Deutschland statt mit erreichten acht Metern. 17,5 Meter wurden bei den ersten deutschen Meisterschaften im Februar 1900 im Schwarzwald gemessen, wo im selben Jahr am Feldberghof die Max-Egon- Schanze gebaut wurde, 1937 gefolgt von der Grossen Schwarzwaldschanze. Seit 1924 gehört Skispringen für Män- ner zu den Olympischen Winterspielen, Frauen sind seit 2014 zugelassen.
Text der Redaktion
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