Page 135 - Best_of_StGallen_8_2020
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Innovation und Tradition
«Jööö, dieses herzige Lädeli»: Das wird wohl jeder denken, der den winzigen Firmensitz der Molkerei Forster in der Heri- sauer Windegg zum ersten Mal sieht. Doch man darf von der Kleinräumigkeit dieses Ladens keinesfalls auf die Firma selbst schliessen – ein Familienunter- nehmen mit Gemeinschaftssinn und Unternehmergeist.
«Wir können das machen, was die Kunden wollen»: Dieser Satz von Markus Forster klingt unspektakulär, ist aber bemerkens- wert, wenn man erfährt, wer diese Kunden sind. Die Molkerei Forster AG beliefert unter anderem Grossverteiler wie Lidl und Spar mit ihrer Milch und ihrem Joghurt. Und wenn diese Kunden (oder auch an- dere) sich ein bestimmtes neues Produkt wünschen, dann kann die Herisauer Molke- rei reagieren. Denn im Betrieb mit aktuell 28 Mitarbeitende, werden jährlich rund sieben Millionen Liter Milch zu Pastmilch, Joghurt, Quark, Butter und Rahm ver- arbeitet. Man verfügt über die nötigen
Molkereiprodukte
Produktionseinrichtungen, um rasch re- agieren zu können. Die Milch kommt von regionalen Bauern. «Wir betrachten sie nicht als Lieferanten, sondern als Part- ner», so Markus Forster. «Wir gehen auf Augenhöhe miteinander um.» Das ist keine Promo-Phrase, sondern ein Geschäfts- modell. Doch dazu später ...
Begonnen hat alles vor vierzig Jahren, als die frischverheirateten Forsters den jahr- hundertealten Molkereiladen in der Heri- sauer Altstadt übernahmen. «Bald merkten wir, dass der Detailhandel alleine nicht rentabel ist. Wir stiegen ins Molkereige- schäft ein.» Dazu muss man sagen, dass die Milchwirtschaft damals von staatlicher Seite hochreglementiert war – fast wie im Ostblock. Bauern durften ihre Milch nicht einfach x-beliebigen Molkereien abliefern. Die Forsters eroberten sich trotzdem eine Nische – das Ehepaar gehörte zu den Pio- nieren in Sachen Bio. Der Durchbruch kam Mitte der 90er Jahre.
Ein Zürcher Kunde bestellte fünfzig Kilo Biobutter, Markus Forster sollte diese per- sönlich abliefern, was ihn etwas nervte: «So weit fahren für so wenig Butter!» Schliess- lich sass Markus Forster im Helly Hansen und verschlissenen Jeans im schicken Büro des Kunden und erfuhr, worum es tat- sächlich ging: Die Swissair wollten auf ih- ren Flügen Biomilchprodukte anbieten. Die
Grossmolkereien hatten bereits abgesagt – es überstieg deren Kapazitäten. Ob sich Forster vorstellen könne, den Auftrag zu übernehmen. Es ging um mehrere hundert Tonnen. «Ich erschrak innerlich, sagte aber ganz cool: ‹Kein Problem.› Natürlich war ich unsicher. Aber ich wusste: wir schaffen das. Denn ich hatte einen Plan.»
Der gelang, weil sich die Molkerei Forster AG nie als Einzelkämpfer verstand, son- dern auf ein zuverlässiges Netzwerk bauen konnte: «Ich kaufte in der ganzen Schweiz kreuz und quer Biomilch zusammen.» Und so og die Swissair ein halbes Jahrzehnt mit Forster-Produkten um die Welt. Bis zum Grounding, das auch die Herisauer Molke- rei durchschüttelte. Denn der Swissair-Auf- trag betrug 2/3 vom Gesamtumsatz. «Man empfahl mir eine Nachlassstundung. Wäre gut für uns gewesen, aber ‹meine› Bauern hätten sich viel Geld ans Bein streichen müssen. Das kam für mich nicht in Frage. Wir standen das zusammen durch.» Die Molkerei Forster AG stand das Tief nicht nur durch, sondern wuchs und wuchs – zu einem Betrieb mit nationaler Strahlkraft.
Das Zusammenstehen ist Teil des Ge- schäftsmodells. «Jeder meiner Lieferanten besitzt bei uns eine Aktie der Molkerei», erklärt der Patron. Die Bauern erhalten Einblick in unsere Buchhaltung, wissen von jedem Franken, wie er ausgegeben wird.»
Markus Forster