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 «Ich bin ein neugieriger Mensch ...»
Text: Thomas Lüthi
Fotos: Mario Heller (links), Yves Bachmann (rechts oben)
Mit zunehmendem Alter idealisieren viele von uns die Vergangenheit, gerinnt Erlebtes zu Anekdoten in denen Unange- nehmes ausgeblendet wird. Prominente Menschen müssen/dürfen/wollen diese Anekdoten in Interviews ausbreiten. Viktor Giacobbo hat in dieser Hinsicht selbstverständlich auch viel zu bieten. Von seiner Zeit als bühnenbegabter Pfadfinder, über sein Bildschirmdebüt, seinen Spätprogrammen, den Auftritten im Zirkus Knie, Filmdreharbeiten und schliesslich der Gründung vom Casino- theater Winterthur: Er hat diese Anek- doten in den vergangenen Monaten im Rahmen von Interviews um seinen run- den Geburtstag auf Aufforderung auch wiederholt erzählt. Sie scheinen ihm aber einiges weniger zu bedeuten, als anderen prominenten Menschen in seinem Alter, die sich – mindestens in der Öffentlichkeit – über Vergangenes definieren lassen.
Viktor Giacobbo tickt da anders. Ihn inter- essieren Gegenwart und Zukunft. Das hält ihn – und das ist jetzt ein fürchterliches Kli- schee – jung. Weil Giacobbo nie stillgestan- den ist, gehört er zu den grossen Figuren der einheimischen Comedyszene und straft dabei dem Gemeinplatz Lügen, dass Erfolg satt und träge macht. Bei Giacobbo pas- sierte das Gegenteil. Ein Indiz dafür ist sein Output beim Nationalsender. Seine Sendun- gen wurden erst im Quartalsabstand und dann monatlich ausgestrahlt. Und in einem Alter, an dem andere die Tage bis zur Pen- sionierung zählen, erhöhte er die Kadenz nochmals: Giacobbo & Müller lief wöchent- lich. Dass dabei viele seiner Sketche kaum etwas oder nichts an Frische eingebüsst haben, hat mit seinem Instinkt zu tun und mit einem treuen Team, mit dem das Duo die gemeinsame Arbeit an den Sendungen stets (selbst)kritisch hinterfragte. Ganz und gar keine Einzelmaske ist er auch beim Casino- theater Winterthur, das in diesem Jahr das 20-jährige Jubiläum feiert.
Wie kam’s zur Gründung des Theaters?
Ein gutes Vierteljahrhundert ist‘s her ... Rolf Corver und ich schauten von der anderen
Strassenseite auf die Fassade und fragten uns, ob da nicht was zu machen sei. Thea- ter durften damals im Saal aus feuerpolizei- lichen Gründen nicht gespielt werden, nur die Beiz war offen. Aber insgesamt war alles ziemlich heruntergekommen. Bei der Stadt stiessen wir auf offene Ohren – die waren froh, dass jemand das anpacken wollte und man gewährte uns einen zinslosen Kredit. Andere öffentliche Gelder haben wir aber nie gekriegt – wir gehören zu den grössten unsubventionierten Kulturunternehmen im Land.
Was ist Euer Erfolgsgeheimnis?
Wir sind ein klassisches KMU mit einer Be- sonderheit: Viele Aktionär/-innen des Thea- ters sind Künstler/-innen, die zum grössten Teil auch schon bei uns aufgetreten sind. Wir sind allerdings nicht «nur» ein Theater, sondern im Tagesgeschäft vor allem ein Gastrobetrieb. Unser Geschäftsführer Beat Imhof kommt aus dieser Branche und seine Stellvertreterin und künstlerische Leiterin Susanne Steinbock aus der Kulturmanage- ment-Branche. Den Erfolg verdanken wir natürlich auch den 56 Festangestellten und zahlreichen freien Mitarbeitenden.
Und es ist wichtig sich zu erneuern ...
Ja, klar. Als wir das Theater eröffneten, war die Einrichtung vom Restaurant ein grosser Wurf – mit den orangen Ledersesseln. Doch das kam in die Jahre. Deshalb bauten wir es um, setzten auf eine andere Küche. Das funktioniert ausgezeichnet. Jetzt kommen auch viele jüngere Gäste. Und auf der Bühne bieten wir Nachwuchskünstlern eine Platt- form – bevor sie grosse Namen sind.
Sie fungieren da quasi als Wohltäter?
Überhaupt nicht. Zum einen haben wir ja auch viel davon. Und dann interessiert mich schlicht, was andere machen. Ich will Dinge sehen, die ich noch nicht kenne. Ich bin ganz einfach ein neugieriger Mensch.
Spielte Ihre Neugier auch bei ihrem Enga- gement in Indonesien eine Rolle?
Ja, ich bin über meinen Kollegen Patrick Frey und seine Schwester in den Stiftungs- rat der PanEco reingerutscht. Neben ande- ren Projekten – etwa einer Greifvogelstation oder einem Naturzentrum – hat sich PanEco dem Schutz von Orang-Utans verschrie-
ben. Auf Sumatra wird einiges an Urwald abgeholzt – zur Gewinnung von Palmöl. Die Orang-Utan-Mütter werden bei der Vertei- digung ihres Territoriums getötet, die niedli- chen Babys macht man dann zu Haustieren. Das geht gar nicht. Als Folge davon sind sie traumatisiert. Mit polizeilicher Unterstüt- zung werden diese Babys konfisziert und auf Pflegestationen untergebracht, wo sie sich erholen können und später ausgewildert werden. Daran beteiligt sich PanEco.
Warum ausgerechnet Orang-Utans?
Es gab keinen bestimmten Beweggrund. In meiner Neugier bin ich kein systematischer Mensch. Ich war noch nie auf Sumatra und kriegte dann die Chance dorthin zu reisen. Und das im Dienst einer guten Sache. Bald ist es übrigens wieder soweit. Darauf freue ich mich!
www.casinotheater.ch www.paneco.ch www.viktorgiacobbo.ch
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