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  FAHRZEUGE VON IHRER SCHÖNSTEN SEITE
Alles nur heisse Öfen in flammenden Farben? Oder was hat es mit dem Alltag als Carrosserielackierer/in tatsächlich auf sich? Und was haben Carrosserielackierer/innen mit Graffiti am Hut? Wir haben bei Valentina Kasper nachgefragt.
Frau Kasper, wie viel hat der Vergleich mit Graffiti an sich, und haben Sie selber früher viel- leicht auch gesprayt?
Ich selber habe meine Tätigkeit nie mit Graffiti in Zusammenhang gebracht, auch nicht, als ich noch keinen Bezug zu meinem Beruf hatte. Gehört habe ich den Vergleich aber schon öfter. In meiner Zeit nach den Schweizermeisterschaften im Car- rosserie Suisse National-Team wurde mir der Zu- sammenhang in der Praxis nähergebracht. Wir ha- ben 4 1⁄2 Stunden an der ersten legalen Graffiti-Wand der Schweiz in Luzern unser eigenes Graffiti gezaubert. Es gibt Ähnlichkeiten mit mei- nem Beruf, aber am meisten hat mich die Freiheit an Kreativität begeistert.
Wie sind Sie auf und in den Beruf gekommen?
Das Handwerk hat mich schon immer fasziniert. Mein Vater als Herzblut-Automechaniker und mei- ne Mutter als erfolgreiche Geschäftsfrau im Be- reich Beauty, als Nail-Stylistin, waren wohl die bes- te Kombination für meinen jetzigen Beruf, mit dem Handwerklichen und dem Kreativen. Tatsäch- lich wollte ich ursprünglich Fachfrau Gesundheit lernen, bin aber dann per Zufall durch meinen Va- ter in einer Carrosserie gelandet, wo für mich der Fall schnell klar war ... DAS will ich machen! Bis heute zweifle ich nicht an meiner Entscheidung und gehe täglich einer Leidenschaft nach.
Wie sehr können Sie sich im Berufsalltag kreativ ausleben – sagen wir auf einem Spektrum von «Pimp my ride» bis zum Lackieren im Einheits- grau?
(Lacht) Ich glaube, da gehen die Vorstellungen zwischen Fachfrau und «Leihe» weit auseinander. In meinem normalen Arbeitsalltag erlebe ich we- nig Kreativität. Mein Job besteht darin, Ihr Auto z. B. nach einem Unfall oder Parkschaden wieder in seinen ursprünglich tadellosen Zustand zu zau- bern, damit Sie es auf der Straße wieder von der schönsten Seite zeigen können. Spezialaufträge, wo Kreativität und spezielle Designs gefragt sind, gibt es immer, sind aber selten. Deshalb möchte ich mich aber auch weiter entfalten und ent- wickeln, um genau diese Aufträge zum Besten ausführen zu können. Weiterbildungskurse wie Air- brush, Folierungen und Autoaufbereitung besuche ich wann immer möglich, um auf dem neusten Stand zu sein. Aber Pimp my ride ist natürlich eine Traumvorstellung von jedem Lackierer.
Sie sind erfolgreich unterwegs: An der Regional- meisterschaft Region Ost von carrosserie suisse wurden Sie Erste, an den SwissSkills 2020 haben Sie den sehr guten 4. Rang belegt. Was behalten Sie von den Wettbewerben in bester Erinnerung? Und hat Sie die Erfahrung persön- lich und beruflich weitergebracht?
Die Wettbewerbserfahrung hat mich vor allem persönlich weitergebracht. Meine Selbsteinschät- zung und vor allem mein Selbstbewusstsein wur- den sehr gestärkt. Beruflich habe ich vor allem ge- lernt, wie man mit kleinen Schritten Grosses bewirken kann, wie man schneller an sein Ziel kommt mit weniger Aufwand, wo und wie man einen Arbeitsschritt optimieren und davon profitie- ren kann. Man wächst an sich selbst, knüpft viele Kontakte, lernt viele Leute kennen und hat so ein grosses Netzwerk in der Branche.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrer Arbeit, ganz allgemein und auch spezifisch in Ihrem Betrieb, bei Planzer in Dällikon?
VALENTINA KASPER,
PLANZER TECHNIK AG, DÄLLIKON 4. PLATZ SWISSSKILLS 2020
Am besten gefällt mir an meiner Arbeit, dass ich ein Ergebnis sehen kann und am Ende eines Ar- beitstages nicht nur weiss, sondern auch sehe, was ich geleistet habe. Dass ich qualitativ und quanti- tativ alles, was ich reinstecke, auch wieder raus- holen kann, mir jeden Tag selbst Herausforderun- gen stellen und mir selbst mein grösster Kritiker sein kann. Bei der Firma Planzer Technik AG gefällt mir, dass ich das alles umsetzen darf, dass mein Arbeitsalltag nicht normal ist, sondern sich täglich ändert – wir reparieren alles, ob Autos, Lastwagen, Lieferwagen, Eisputzmaschinen, Mofas, Konzert- bühnen oder Container-Bars. (Frau Kasper arbeitet ab 1.12.2021 bei der Carrosserie Jenny GmbH in Herrliberg, Anm. d. Red.)
Was denken Sie, was man an Voraussetzungen mitbringen sollte, wenn man sich für den Beruf Carrosserielackierer/in interessiert?
Man sollte sicher etwas kreativ und ein wenig handwerklich geschickt sein. Wenn man zielstre- big und fleissig ist, kann man wirklich viel erzielen. Ein gutes Auge kann natürlich auch nicht schaden.
Was hält die berufliche Zukunft noch bereit für Sie, in welche Richtung wollen Sie vielleicht noch gehen?
Am liebsten würde ich mich natürlich selbststän- dig machen, mein Wissen auch weitergeben kön- nen. Ich sehe mich zukünftig im Bereich Fahrzeug- aufbereitung, Reinigung und Fahrzeugdetailing. Das mache ich in meiner Freizeit schon sehr gerne, und ich kann mir gut vorstellen, dies auch in Zu- kunft weiter auszubauen und etwas Eigenes auf- zuziehen. Da kann ich meine Perfektion ausleben und das tun, was ich am liebsten mache: einen Kunden zufriedenstellen, indem ich mit meiner Arbeit seine Wünsche umsetze und sein Fahrzeug genau nach seiner Vorstellung abliefere.
Wir danken Frau Kasper für das spannende Inter- view und wünschen ihr alles Gute!
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  INTERVIEW














































































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