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  «Das Schreiben ist wie ein eigenes kleines Universum»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: Regula Müdespacher
Dieses Universum ergründen wir auf ei- nem Spaziergang am Rande von Zürich – und zwar mit dem Mann, der uns alle schon zum Lachen gebracht hat: Keiner schreibt in der Schweiz nämlich mehr Gags als Domenico Blass.
Los geht’s auf engen Waldwegen rauf und wieder runter, durch Rebberge, vorbei an schmucken Villen und Aussichtspunkten und ... pssst ... verbotenerweise kurz über ein Privatgrundstück, aus welchem wir nur dank eines kaputten Gartenzauns wieder rausfinden.
Aber zurück zum Universum: Richtig Schub bekam die Autorenkarriere von Domenico Blass 2002 dank des Kino-Hits «Ernstfall in Havanna» mit Viktor Giacobbo. Seither folgten zahlreiche Filmdrehbücher, The- aterstücke, Musicals, Sitcoms und Co- medy-Shows, darunter von 2008-16 auch «Giacobbo / Müller». Heute ist er u.a. ver- antwortlich für die Comedy-Formate von Radio SRF 3.
Haben wir was vergessen? Ja! Blass war in jungen Jahren sogar mal Werbeträger für Rivella. Da haken wir doch nach ...
Warum ist eigentlich nichts aus Ihrer Mo- delkarriere geworden?
Domenico Blass (lacht schallend): Mir wur- den ja schon viele Fragen gestellt, aber diese definitiv noch nie! Versprechen Sie mir, dass die ins Magazin kommt?
Versprochen!
(Will eine Antwort geben, beginnt aber wie- der zu lachen) Also, das war so – bei einem Mittagessen meinte der Zürcher Fotograf Peter Huber zu mir: «Du hast ein Rivella-Ge- sicht!» Was auch immer das bedeutet. Auf jeden Fall zierte ich ein paar Monate später tatsächlich eine solche Werbung. In jener Zeit posierte sonst vor allem die Ski-Nati für Rivella. Kurz darauf musste ich in die Rekru- tenschule – und hing nun in fast jeder Beiz! Da sagte eine Wirtin zu mir: «Ich kenne Sie, Sie sind doch ein Skirennfahrer!»
Und warum haben Sie nicht mehr aus Ihrem «Rivella-Gesicht» gemacht?
Sie werden es nicht glauben: Ich warb später gar noch für eine Schuhkampagne von Timberland, aber dann konzentrierte ich mich auf andere Sachen. Nun ja, immerhin ein paar Wochen Ruhm! (lacht)
Den suchen Sie ja nicht, wie Sie schon öfters sagten ... Hand aufs Herz: Wurmt es nicht doch ein bisschen, wenn für Ihre Arbeit immer andere den Applaus kriegen?
Nein, überhaupt nicht. Ich schrieb vor ein paar Jahren mit Regisseur Stefan Huber das Buch für das Musical «Io Senza Te» mit Liedern von Peter, Sue & Marc. Nach einer Vorstellung hörten meine Tochter und ich drei Damen begeistert diskutieren. Sie lobten insbesondere auch die Geschichte rund um die Songs, ohne zu wissen, dass die von mir stammte, und meinten: «Ach, wie toll der Peter Reber das alles geschrie- ben hat!» Meine Tochter flüsterte, ob ich sie nicht über den wahren Autor aufklären wolle. Aber ich schmunzelte einfach vor mich hin und genoss den Moment.
Dafür müssen Sie bei Kritik auch nicht den Kopf hinhalten.
Genau! Das ist das Privileg jener, die vorne stehen. Die kriegen den Applaus, aber auch
die Buh-Rufe. Und ich sitze unerkannt im Publikum und freue oder schäme mich.
Sie schreiben seit über 30 Jahren. Was genau fasziniert Sie noch immer daran? Es ist wie ein eigenes kleines Universum, in dem laufend Neues entsteht. Ich würde Schreiben nicht als Kunst, aber doch als eine Art Kunsthandwerk bezeichnen. Man erschafft etwas, dem die Regie, die Be- setzung oder die Comedians schliesslich Leben einhauchen. Wenn auch nicht immer ganz so, wie man sich das beim Schreiben vorgestellt hat.
Oha, erzählen Sie!
Da gab es beispielsweise diesen Bundes- ratsassistenten im Film «Ernstfall in Ha- vanna»: Als Viktor Giacobbo und ich das Drehbuch schrieben, massen wir dieser Figur keine grosse Relevanz bei. Im Film wurde sie zum echten Highlight, weil die Regisseurin Sabine Boss diesen Assis- tenten einfach toll inszenierte und Daniel Rohr ihn ebenso grandios spielte. Auf der anderen Seite schrieb ich mein allererstes Kurzfilm-Drehbuch in der Meinung, eine Komödie zu verfassen. Dreimal dürfen Sie raten, was der Regisseur daraus gemacht hat ...
Ein Melodram?
Genau! Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf!
Muss man für ein Thema Feuer und Flamme sein, um darüber schreiben zu können?
Hm, es ist sicher von Vorteil. Ich habe schon Sachen abgelehnt, die mich inhaltlich ein- fach nicht interessierten. Manchmal ent- flammt die Leidenschaft auch erst beim Schreiben. So war es beispielsweise bei «Io Senza Te»: Ich bin zwar quasi mit der Musik von Peter, Sue & Marc aufgewachsen, hörte aber viel lieber Songs von den Beatles oder den Stones. Je mehr ich mich aber beim Schreiben mit den Liedern beschäftigte, desto besser gefielen sie mir. Und heute muss ich nur die ersten Takte von einem ih- rer Hits hören – und schon singe ich begeis- tert mit! (lacht)
www.domenicoblass.ch
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