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Ein so wichtiges, aber fast vergessenes Handwerk
Nehmen wir ein Buch in die Hand, interessiert uns haupt- sächlich der Inhalt, allenfalls noch der Autor. Christine Schnell hingegen betrachtet instinktiv zuerst «das Drumumä».
Und das aus gutem Grund.
Wie ist die Qualität des Einbands? Ist der Rücken rund oder gerade? Wie präzise wurde gearbeitet? Christine Schnell lacht: «Das ist typisch für uns!» Mit «uns» meint sie die Gilde der HandbuchbinderInnen. Allzu viele sind es leider nicht mehr, denn das meiste wird heute industriell herge- stellt. «Aber es gibt uns noch!»
Zum Glück, denn sie haben mitunter eine äusserst wichtige Aufgabe: alte wie neue Bücher für die Nachwelt zu erhalten. «Wir arbeiten mit verschiedensten Materialien und Techniken – von Papier, Karton, Holz bis hin zu Metall. Kürzlich banden wir sogar ein Buch mit Glas ein!» Die 41⁄2 Stellenprozente teilen sich 12 Mitarbeiterinnen und ein
Chauffeur. Sie leisten hier immer noch echte Hand- arbeit. Die wenigen Ma- schinen, die zum Einsatz kommen, haben sicht- lich ein paar Jahre auf dem Buckel. Doch sie erfüllen ihren Zweck nach wie vor bestens – schneiden, fal- zen, pressen, prägen von
Titeln etc.
Zur Kund- schaft gehören unter anderen Gemeinden, Notariate, Ämter und auch Private, die wichtige Dokumente binden lassen. Bis heute landen fast alle Grundbücher des Kantons Zürich hier: Die spezielle Binde- technik hat die Keller AG damals patentieren
lassen.
Ganz viel echte Handarbeit: Christine Schnell (im pinken Shirt) mit ihrem Team der E. Keller AG in Wetzikon.
    Christine Schnell wuchs im Kanton Bern auf, wo ihre Familie eine Käserei betrieb. Für die Tochter war klar: Selbstständigkeit? Wie ihre Eltern? Nie im Leben! Doch kurz nach ihrer Meisterprüfung, 1997, bekam sie die Chance, die E. Keller AG in Uster zu übernehmen. Eine Firma mit Tradition: Ge- gründet wurde sie 1849, lange stand v.a. die einst dazugehörende Druckerei im Fokus. Anfang der 1980er wurde die Buchbinderei schliesslich – unter gleichbleibendem Na- men – ein eigenes Unternehmen.
Nach reiflicher Überlegung sagte Schnell zu. Im 2000 zog die Buchbinderei nach Wetzikon. Bald darauf kamen der Einrah- mungsbereich und die Filiale in Rüti dazu. «Einrahmungen waren ein wichtiger Teil meiner Ausbildung. Ich hatte immer den Wunsch, dieses Handwerk irgendwann wie- der auszuüben.» Seither hat die Firma zwei Standorte.
Leider betreibt die Buchbinder-Gilde zu we- nig Marketing. Trotzdem hofft Schnell, dass auch künftig junge Menschen diesen Beruf wählen, «denn er ist einer der schönsten und kreativsten».
  E. Keller AG –
Handbuchbinderei & Einrahmungen
Bahnhofstr. 236a, 8623 Wetzikon
Telefon +41 44 930 18 21 E-Mail info@buchundrahmen.ch
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