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 «Ich freu’ mich tierisch, wenn ich auf den Knopf drücken kann»
Text und Interview: Regula Elsener Steinmann Fotos: Martin Stollenwerk
Wahnwitzige Konstruktionen sind seit jeher seine Leidenschaft: Das zeigte sich schon bei seinen Lego-Bauten in der Kindheit. Heute tobt sich Stefan Heuss damit auf der Bühne und im TV aus.
Nach einer Ausbildung zum Gärtner und Schauspieler war er einige Jahre Teil der Komiker-Duos «Hepp und Heuss» und «stahlbergerheuss». Einem breiten Publi- kum wurde er ab 2009 als skurriler Erfinder in «Giacobbo/Müller» bekannt. Seit 2019 entdeckt er im «Kassensturz» regelmäs- sig neue Verwendungszwecke für gängige Alltagsprodukte.
All die fantasievollen Konstruktionen entste- hen in seinem Atelier in Dietikon. Hier fühlt er sich pudelwohl und schätzt den bunten Mie- ter-Mix, darunter auch viele andere Künstler. «Ich gehe öfters rum und störe die anderen ein bisschen», meint er verschmitzt. Seine Tür stehe aber ebenso offen, und «irgend- einä chunnt immer chli go schwätzä». Das habe ihm schon häufig geholfen: «Nach einer Ablenkung kann ich viel effizienter weiterarbeiten.»
Machen sich Ihre Nachbarn eigentlich nie Sorgen, wenn es mal wieder raucht oder knallt im Heuss’schen Atelier?
Stefan Heuss: Nun ja, mein Vermieter fragte schon ab und zu: «Was hast du jetzt wie- der gemacht?» Aber grössere Unfälle gibt’s selten. Einmal kam ich ins Schwitzen, als ich spätabends für «Giacobbo/Müller» ein automatisiertes Fondue-Caquelon präpa- rieren wollte.
Was ist passiert?
Die Idee war, den Geruch dank einer Ab- saugglocke zu minimieren. Dadurch konnte man aber nicht mehr mit der Gabel im Käse rühren. Drum musste sich halt das Caquelon bewegen. Als ich an diesem Mechanismus tüftelte, berührte ich versehentlich mit der Schulter einen Hebel und das Caquelon drehte sich im Hochfrequenztempo, bis es schliesslich quer durchs Atelier an die Wand knallte. Sowas kann mal passieren, aber grundsätzlich bin ich sehr sicherheitsbe- dacht. Denn es kommt beim Publikum nicht
Ausschnitt aus «Die grössten Schweizer Patente»
so gut an, wenn ihm plötzlich irgendwelche Teile um die Ohren fliegen ...
Wie oft müssen Sie aufgeben?
Nun, eine Erfindung ist ein längerer Prozess: Von der Idee bis zum Endprodukt dauert es rund drei Wochen. Ich freu’ mich immer tie- risch, wenn ich zum allerersten Mal auf den Knopf drücken kann und sehe, ob es funk- tioniert. Manchmal klappt’s, manchmal zer- stört das Ding sich halt selbst. Das «stinkt» mir im ersten Moment, aber oft bringt es mich auch zum Lachen.
Als wir uns das letzte Mal sahen, tüftelten Sie gerade an einem Zwiebelhacker mit Absaugglocke. Was ist daraus geworden? Witzig, dass Sie den ansprechen! Er hat es leider nie ins Rampenlicht geschafft, aber just aus ihm ist die Fondue-Idee entstan- den. Das passiert oft: Ich plane etwas, und daraus entwickelt sich etwas ganz anderes.
Wie sieht es eigentlich bei Familie Heuss zu Hause aus? Sind sämtliche Garten- und Haushaltsgeräte «aufgepeppt»? Nein, überhaupt nicht. Ich halte mich da – mit Rücksicht auf meine Familie – sehr zurück. Zudem sollte eine Wohnungsein- richtung ja auch ästhetisch etwas herge- ben, was mit meinen Konstruktionen eher schwierig wäre (lacht).
Sie selbst sagten mal, Sie hätten das Tüfteln vom Va- ter und Opa geerbt. Gaben Sie die Leidenschaft an Ihre Tochter weiter?
Als Kind bastelte sie tatsäch- lich aus allem irgendwas! Inzwischen ist sie erwach- sen und lebt ihre Kreativi- tät mehr im Programmieren oder technischen Zeichnen aus. Und das vorwiegend autodidaktisch, was mich sehr freut. Denn das hat sie definitiv von mir!
Zurück zu den Erfindun- gen: Sehr oft recyceln Sie Sachen. Zufall? Oder ist das mittlerweile auch eine Art Philosophie?
Beides. Ich komme aus der freien Theaterszene und bin mir gewohnt, aus nichts etwas zu erschaffen, da wir ja nie Geld hatten. Insofern lag mir das nahe. Wo- bei ich es lieber «Upcycling» nenne, da ich
die Sachen ja gewissermassen veredle.
Nach Produkten wie einer Salzteig-Han- dyhülle, einem Kinderwagenrüttler oder einer Schneeballwurfmaschine zeigten Sie 2020 in der SRF-Sendung «Werkstatt Heuss», dass Sie durchaus auch einsatz- fähige Sachen konstruieren können ... Ja, die Vorgabe lautete: Die Erfindungen sollen witzig, aber eben auch umsetzbar sein. Ich hatte danach tolle Reaktionen von Leuten, die meine Ideen aufnahmen: So ge- staltete eine Schule aus alten Paletten kleine Gärten, und eine Familie baute tatsächlich meinen Swimmingpool aus Getränke- Harassen nach. Das finde ich grandios!
Gemeinsam mit dem Multi-Instrumentalis- ten Dide Marfurt ist Stefan Heuss – sobald Corona es zulässt – wieder mit seinem Programm «Die grössten Schweizer Pa- tente» auf Tournee. Infos und Daten unter www.stefanheuss.ch
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