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Sportliche Idylle im Weinland
Hoch über dem Golfplatz Goldenberg thront ein lauschi- ger Aussichtspunkt, wo Club- manager Alex Leber in einer seiner seltenen Pausen die Seele baumeln lässt, Vogel- gezwitscher hört, frisch gemähtes Gras riecht und
den Spielern bei ihrer Passion zuguckt: «Momente wie diese machen mich einfach zufrieden.»
Die Passion Golf ist mit vielen Klischees behaftet: Zu teuer und zu elitär, ein ökolo- gischer Unsinn und ach ja – gar kein rich- tiger Sport: «Das dachte ich früher auch», erinnert sich Alex Leber. Der Clubmanager gehört zu dieser beneidenswerten Spezies, der im Sport alles ein bisschen leichter fällt. Leber spielt(e) Tennis, Fussball, Hockey, macht(e) auf dem Bike und in Laufschuhen eine prima Figur. Als der Touristikfachmann vor einem Vierteljahrhundert an der Costa Dorada die ersten Golfbälle schlug, gelang ihm auch dies gut. Spätestens am nächs- ten Morgen hatte er seine Klischeevorstel- lung, dass Golf kein Sport sei, über Bord geworfen: «Ich hatte einen gigantischen Muskelkater und war immer noch nudel- fertig. Doch der berühmt-berüchtige, aber harmlose Virus hatte mich gepackt.»
Denn Golf ist ein unglaublich vielfältiges und komplexes Spiel, das hohe Anforde- rungen an Kraft und Ausdauer stellt. Man muss sich vor dem Spiel einen Schlacht- plan zurechtlegen, die richtige Taktik wäh- len. Wo sind die Klippen und Tücken auf dem Platz? Welchen Schläger wähle ich? Wohin will ich den Ball schlagen? Macht es mehr Sinn, auf Nummer sicher zu spielen, zusätzliche Schläge einzukalkulieren, oder geht man auf Tutti? Für eine Runde ist man viereinhalb Stunden unterwegs, legt dabei um die zehn Kilometer zurück. Nicht im Spazier-, sondern im Marschtempo, berei- tet sich dabei auf das nächste Loch, den nächsten Schlag vor. Und «muss seinen Schlachtplan laufend überprüfen und an- passen», so Alex Leber. «Denn es kommen Wind, Wetter, Hitze oder Kälte hinzu, die einem entweder helfen oder einen Strich
durch die Rechnung machen.» Dabei hilft es, sich eine Art buddhistische Gelassen- heit zurechtzulegen: «Man sollte sich über ein misslungenes Loch nicht zu fest ärgern, aber auch nicht zu sehr freuen, wenn es su- per läuft. Das schadet der Konzentration. Und die ist im Golf wichtig.»
Natürlich spielt die Physis im Golf eine Rolle – ein junger Mensch schlägt den Ball weiter als eine AHV-Bezügerin. Doch Taktik und Konzentration machen dieses Defizit wett, die Pensionärin faltet den kraftstrot- zenden Mittzwanziger auf dem Platz unter Umständen zusammen. Es gibt kaum ei- nen Sport, bei dem das Altersspektrum so gross ist und sich junge und alte Menschen (auch leistungsmässig) so sehr auf Augen- höhe begegnen: «Mütter kommen mit ihren pubertierenden Töchtern, die sich zu



























































































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